Begegnung im Park

(10.4.2005)

Heute im Park

auf dem Spielplatz das Kind

nicht älter als zehn

unterm Arm ein Bündel Krüppelholz

mit der anderen Hand

zerrt und schiebt es zur Erde gebeugt

den grobschlächtigen Baumstumpf

abgesägter Klotz Überbleibsel

vom Wintereinschlag

So früh schon – denke ich –

übt und krümmt sich der Mensch

rollt das Holz und wälzt den Stein

seinem unbekannten Ziele zu

Wir

Wir: leicht entzündbar & sterblich

körperlos wie der Wind

tragen die Knochen der Sterne

auf unseren zerbrechlichen Schultern

Der Schatten einer Amsel genügt

uns zu zerstören am Mittag

Auf der verblichenen Mauer, trügerisch,

als Gast ferner Länder – die Sonne

Also sind wir: körperlos & sterblich

Gefesselt an ein Hirn, uns unbekannt,

an den Rest Mythos – Geheimnis der Äonen,

leiden wir an einer Krankheit

die uns nicht tötet. Wenn wir sterben,

geschieht es im Vorgefühl der Vollkommenheit

Auch der Tod ist uns gleichgültig

Auch er: sterblich & körperlos wie der Wind

St Angelo in Formis

(Kampanien Sommer 2004)

Irgendwann im vergangenen Jahrhundert

hat er das Auge auf diese leuchtende Erscheinung geworfen

Ein Diapositiv zeugt davon:

Die Flucht des Paulus aus Damaskus

(Fresko in St. Prokuls bei Naturns im unteren Vintschgau)

Weiter kam er nicht

Als er mit vierzig starb

befand es sich mit zahlreichen anderen

in einer Box aus grauem Metall

(Wie sein Sarg beschaffen war

weiß ich nicht mehr

weiß noch

daß ich eine Schaufel Erde

auf den Deckel warf &

meine Mutter

hinterher springen wollte)

Er muß Kunstsinn besessen haben

denke ich, sein Sohn,

wie er Nachfahre oberschwäbischer Bauern

Als ich neulich in dem Kaff bei Neapel

weit unten in Süditalien

die Fresken von St. Angelo in Formis

betrachtete (Christus im Ölbaum-Garten)

kam er mir in den Sinn:

“Ich finde dich nicht mehr &

Vater, warum hast du mich verlassen?”

Wie gern würde ich ihn all das sehen lassen

Ich kaufte ihm eine Ansichtskarte &

Weiß nun nicht wohin damit

Brüssel im Regen

(Sommer 2001)

Noch immer trinke ich meinen Morgenkaffee

aus der Tasse, die sie mir in Brüssel schenkte

Le pain quotidien – mit gesprungenem Rand

Sie war niedergeschlagen &

mein Besuch freute sie

Sans amis la vie e triste

stand auf der Fußmatte

ihrer abgeblühten Wohnung in der Rue St. Jacques

mit Klo auf dem Zwischengeschoß &

der Dusche neben dem Geschirrspüler

Ich gab ihr, was sie am nötigsten hatte

Halt am Ende des goldenen Seils

das Ankertau zur Domstadt

wo die Doppeltürme ins Blau ragten

Siehst du, sagte sie

hier regnete es in einem fort

Es stimmte: ihr schwarzes Haar

schimmerte bläulich vor Nässe

Ich liebte sie &

wäre gerne gewesen wie der Regen:

Ganz nah ihrem Haar &

ihr nicht gleichgültig